Wohnungsnot
Strategie des Kantons Zug wirkt zu zögerlich
Die EV Zug Frauen holen in der ersten Saison den Meistertitel in der SWHL B und steigen auf. Foto: Felix Klaus
In der ersten Saison nach der Gründung hat das Frauenteam des EV Zug alle Meisterschaftsspiele zweistellig gewonnen, den Meistertitel geholt, ist in die Post-Finance Women's League aufgestiegen und hat den Cupfinal erreicht. Rückblick und Vorschau mit EVZ-Sportchef Reto Kläy.
Reto Kläy, das grosse Saisonziel, der Aufstieg des EV Zug Frauenteam in die PostFinance Women's League, ist geschafft. Wie drückt der Sportchef seine Freude aus?
Es verschafft Genugtuung, die gesteckten Ziele erreicht zu haben. Weil diese im Sport nicht planbar sind. Von den Voraussetzungen her, dass wir mit einem so gut aufgestellten Team an den Start gehen konnten, ist das Gesamtergebnis nicht überraschend, aber natürlich sehr erfreulich.
Am Ende mussten die Zuger Frauen die Ligaqualifikation gar nicht spielen, weil die Gegnerinnen aus Lugano verzichteten und freiwillig abstiegen. Trübt das die Freude in irgendeiner Weise?
Als sich abzeichnete, dass die Gegnerinnen in der Ligaqualifikation Langenthal oder Lugano heissen, gab es bereits von beiden Teams Gerüchte, dass sie freiwillig den Abstieg wählen könnten. Unser Frauenteam ist so um das Erlebnis einer Finalissima gebracht worden. Es hätte gezeigt, dass es sportlich den Aufstieg schaffen kann. Der Modus und die Bedingungen waren für alle klar und wurden festgelegt. Deshalb finde ich es schade, dass sich am Ende ein Team entscheidet nicht anzutreten. Jede Mannschaft, die in der obersten Liga startet, sollte wissen, um was es geht. Dazu passt so ein Verhalten nicht zum Eishockey. In unserem Sport spielt man, auch wenn man unterlegen ist.
Der Druck auf das Team, in der Premierensaison gleich aufzusteigen, war gross. Auch gegen Lugano wäre es als Favorit in die Ligaqualifikation gegangen. Was sind die Gründe, dass die Zugerinnen es geschafft haben?
An das Projekt «EVZ Women and Girls Programm» haben in unserer Organisation alle von Beginn an geglaubt. Schweizer Top-Nationalspielerinnen wie Lara Stalder und Noemi Rhyner oder die finnische Nationaltorhüterin Eveliina Mäkinen haben aus dem Ausland zu uns in die zweitoberste Schweizer Liga gewechselt. Viele Spielerinnen waren definitiv überqualifiziert für diese Liga. Das Reglement liess nicht zu, dass wir nach einer Neugründung eines Teams direkt in der PostFinance Women's League einsteigen durften. Wir haben das akzeptiert, das Team hat immer alles gegeben und jeden Match ernst genommen. So ernst, dass es von ausserhalb Stimmen gab, es sei nicht korrekt, dass die EVZ Frauen immer Vollgas gegeben hätten. Ich verstehe diese Kritik nicht. So zu spielen ist Teil der Eishockey-DNA. Darauf können die Frauen stolz sein.
Das Team für die nächste Saison steht bereits. Der EV Zug steckt die Ziele bewusst hoch. Was erwarten Sie von den EVZ Frauen für die erste Saison in der höchsten Schweizer Spielklasse?
Unser Frauenteam konnte sich im Schweizer Cup bereits mit Teams aus der obersten Liga messen. Wir gewannen gegen Fribourg, Ambri und Neuchâtel und verloren im Final gegen die Meisteranwärterinnen vom SC Bern knapp im Penaltyschiessen. Wir müssen uns also nicht verstecken. Aus diesem Grund wollen wir uns in Meisterschaft und Cup auch in der obersten Liga nach vorne orientieren. Gleichzeitig halten wir an unserer Clubphilosophie fest: Einerseits ein Frauen-Spitzenteam, auf der anderen Seite sollen, wie bei den Männern auch, junge Spielerinnen aufgebaut und an das höchste Niveau herangeführt werden.
Neben dem Frauenteam hat der EV Zug auch die Eishockeyschule für Mädchen ins Leben gerufen. Wie läuft es mit diesem Projekt?
Uns ist das ganze Projekt wichtig. Einerseits haben wir zusammen mit Sponsoren ein schlagkräftiges Frauenteam mit semiprofessionellen Strukturen aufgebaut. Andererseits fangen wir mit einer reinen Mädchenhockeyschule ganz unten an. Auch dieses Vorgehen zeigt Erfolg. 57 Mädchen haben bisher im ersten Jahr mitgemacht. Sie bleiben unter sich, spielen also nicht mit Jungs, und können so entdecken, ob der Eishockeysport etwas für sie ist. Weil der Erfolg da ist, wollen wir in der nächsten Saison ein reines U9- und U11-Mädchenteam melden. So sollen Anschlussmöglichkeiten für die Mädchen geschaffen werden, die Eishockey spielen möchten. Gleichzeitig können sie selbst entscheiden, ob sie nur mit Mädchen oder andernfalls bei den Buben spielen wollen. Von diesen Mädchen werden später nicht alle in Topteams oder an der WM spielen. Aber vielleicht wächst eine Trainerin, eine Schiedsrichterin, ein Fan, vielleicht auch eine Sponsorin heran. Es gilt, immer ans Ganze zu denken.
Das Frauenteam wurde Anfangs 2023 ins Leben gerufen. In der ersten Saison gewannen die EVZ Frauen den Meistertitel in der SWHL B, sind aufgestiegen und schafften den Finaleinzug im Schweizer Cup. Eine sehr erfolgreiche erste Spielzeit.
Ja, vor allem, wenn man bedenkt, in welcher kurzer Zeit das ganze Projekt aus dem Boden gestampft wurde. In weniger als einem halben Jahr wurden die Trainerin und alle Spielerinnen rekrutiert sowie die Saisonplanung gemacht. Die Marketingabteilung musste eine riesige Aufgabe meistern. Umso schöner ist es, dass das Frauenteam und die Hockeyschule für Mädchen im Kanton Zug Anklang gefunden haben. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer kamen erstmals an einen Frauenmatch. Auch wenn sich Frauen- und Männereishockey in vielen Aspekten noch stark unterscheiden, findet das Frauenhockey ein eigenes Publikum. Das hat auch mit den früheren Anspielzeiten zu tun. Es kommen sehr viele Familien an die Spiele der Frauen. Das ist unter anderem auch eines unserer Ziele, verschiedene Leute zu begeistern.
Ob Fussball oder Eishockey – die Publikumszahlen sind bei den Frauen in der Schweiz immer noch eher niedrig. Wie sind Sie mit dem Publikumszuspruch bei den Heimspielen zufrieden?
Auch in dieser Hinsicht sind wir positiv überrascht. Beispielsweise im letzten Finalspiel der SWHL B gegen Bassersdorf kamen 1500 Zuschauerinnen und Zuschauer in die Bossard Arena, was sehr viel ist für ein Schweizer Fraueneishockeyspiel. Der Meistertitel konnte so gebührend gefeiert werden. Auch wenn wir in der Meisterschaft immer zweistellig gewonnen haben, ist das Publikum die ganze Saison ins Stadion gepilgert und hat uns angefeuert.
Der EV Zug hat die Spielerinnen mit Semiprofi- oder Ausbildungsverträgen ausgestattet. Was hat Sie sicher gemacht, dass sich das Risiko lohnt?
Wir haben als Verein in den Spiegel geschaut und gefragt: Machen wir genug? Für die Frauen und Mädchen sicher nicht. Also haben wir dieses Projekt mit dem Frauenteam und der Mädchenhockeyschule ins leben gerufen. Beim Frauenteam wollten wir mit den semiprofessionellen Strukturen zusätzlich ein Zeichen setzen. Das ist in der Schweiz einerseits ein Novum. Anderseits sind wird so auch als Verein gestärkt in Sponsorenverhandlungen gegangen, haben aufgezeigt, dass wird mit dem Frauenteam ganz vorne an die Spitze wollen. Das hat anscheinend auch die Sponsoren überzeugt. Sie zeigen sich vom Erfolg begeistert. Der Profisport ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Der EV Zug will auch Breitensport anbieten und den Nachwuchs fördern, der Jugend eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung ermöglichen. Bei den Buben und Jugendlichen sind wir erfolgreich unterwegs. Bei den Frauen und Mädchen hat diese Abteilung bisher noch gefehlt.
Mit Daniela Diaz ist eine Schweizer Erfolgstrainerin und Zugerin Headcoach des Frauenteams und verantwortlich für das Ausbildungsprogramm für Mädchen. Wie sieht die Würdigung des Sportchefs für sie aus?
Daniela Diaz ist die prädestinierteste Person, die wir uns für die Umsetzung des ganzen Projekts vorstellen konnten. Die ehemalige Trainerin der ZSC Löwinnen und des Nationalteams hat im Eishockeyverband Wertvolles für das Fraueneishockey getan. Als Zugerin neben dem Stadion aufgewachsen ist das EVZ-Projekt für sie selbst eine Herzensangelegenheit. Daniela Diaz ist wie das Licht des Leuchtturms. Mit ihr zusammen haben die Spielerinnen und ganz viele Mitarbeitende zum Erfolg beigetragen.
Die EVZ Frauen haben in allen Qualifikations- und Playoffspielen zweistellig gewonnen. Was war die grösste Schwierigkeit, wenn das Team so überlegen ist?
Die Balance aufrecht zu erhalten und auf dem Boden zu bleiben. Überheblichkeit ist nie angebracht. Wir jammern auf hohem Niveau, wenn wir sagen, dass wir nicht mit allen Leistungen in den Spielen zufrieden waren. Das sehen die Spielerinnen zum Glück auch so. Im Super- und im Schweizer Cup haben wir gegen gute Teams gespielt und gesehen, wo wir wirklich stehen. In der Nationalmannschaft oder auch an der U18-WM setzte es dann auch für unsere Spielerinnen gegen die USA oder Kanada wieder Kanterniederlagen ab. Willkommen zurück in der Realität. Deshalb ist es wichtig, im Verein gute Trainingsstrukturen zu schaffen. Bei uns sind die Frauen morgens mit Ausbildung oder Beruf beschäftigt, am Nachmittag mit Training und Therapie. Am Abend müssen sie eben nicht spät trainieren, sondern können regenerieren. Das war unser Gedanke, semiprofessionelle Strukturen zu schaffen. Deshalb darf der ganze Verein jetzt nicht stehenbleiben und muss aus dem bisher geleisteten lernen und weiter gehen. Was kann man noch besser oder anders machen? Wie können wir weitere Sponsoren finden? Die Marschrichtung stimmt. Aber bei den Frauen und Mädchen stehen wir erst am Anfang.
Es gibt auch kritische Stimmen, die sagen, dass die Frauenklubs, die über Geld verfügen – die ZSC Lions, der SC Bern, Davos und jetzt auch Zug – den eigentlichen Wettbewerb verunmöglichen oder verfälschen. Ihre Antwort darauf?
Ich verstehe es als Kompliment, wenn man Neider hat. Frei nach dem Prinzip: Belächelt, beschimpft, bejubelt. Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen und das Fraueneishockey im Ganzen weiterentwickeln. Der EV Zug hat nicht einfach so nur Geld in ein neues Frauenteam investiert. Wir wollten auch unsere Sponsoren mit dem Projekt begeistern. Deshalb hoffe ich, dass aus Neidern möglichst bald Follower werden. Dass andere Eishockeyorganisationen unserem Beispiel folgen und professionellere Strukturen für ihre Frauenteams schaffen.
Wohin entwickelt sich das Fraueneishockey?
Hoffentlich vorwärts. In Nordamerika ist mit der neuen Profiliga für Frauen ein globales Zeichen gesetzt worden. In der Schweiz ist es wichtig, dass Verband und Klubs noch mehr zusammenarbeiten. Auf Worte müssten auch mal Taten folgen. Ein Anfang ist gemacht. Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns.
Renato Cecchet
Zur Person
Reto Kläy ist eine früherer Eishockeyspieler, der als Verteidiger bei Langnau, Rapperswil-Jona, Visp, Olten und Langenthal aktiv war. Anschliessen arbeitete er als Sportchef beim SC Langenthal. Im Sommer 2014 nahm er seine Arbeit als Sportchef beim EV Zug auf. In seiner Amtszeit wurde Zug 2021 und 2022 bei den Männern Schweizer Meister. Das 2023 neugegründete Frauenteam wurde Meister der SWHL B und ist in die PostFinance Women's League aufgestiegen.
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