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Zum Auftakt nach der Winterpause das Derby gegen Kriens
Im «Bevölkerungsrat 2025» diskutieren 100 zufällig ausgewählte Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz über Lösungsansätze zur Problematik der steigenden Gesundheitskosten – darunter auch vier Personen aus dem Kanton Zug. Wir sprachen mit zwei von ihnen.
Wer kennt es nicht? «Die in Bern machen sowieso, was sie wollen.» Mit diesem Satz drücken Schweizerinnen und Schweizer gerne ihren Unmut darüber aus, wenn sie mit politischen Entscheiden von Bundesrat, National- und Ständerat nicht einverstanden sind. Obwohl: Die Schweizer Demokratie funktioniert. Das haben Volksabstimmungen im letzten Jahr gezeigt. Wenn Bundesrat und Parlament eine Vorlage befürworten oder ablehnen, hat das Volk die Möglichkeit, an der Urne genau das Gegenteil zu entscheiden. Prominenteste Beispiele: Die Annahme der 13. AHV-Rente und die Ablehnung des Autobahn-Ausbaus.
Wenn es um die steigenden Gesundheitskosten geht, ist eine Ohnmacht zu spüren, nicht direkt in den politischen Meinungsprozess eingreifen zu können. Welche Lösungsansätze würde die Bevölkerung vorschlagen, wenn sie das Thema diskutiert?
Das Forschungsprojekt «Bevölkerungsrat 2025» untersucht neue komplementäre Formen der Demokratie. Zu diesem Zweck findet zwischen November 2024 und März 2025 ein nationaler Bevölkerungsrat zum Thema «steigende Gesundheitskosten» statt. 22’000 in der Schweiz wohnhafte Personen, die älter als 16 Jahre sind, wurden zufällig aus dem Stichprobenregister des Bundesamtes für Statistik gezogen. Diese Personen erhielten eine personalisierte Einladung, beim Bevölkerungsrat mitzumachen. Aus allen Rückmeldungen wurden in einem zweiten Schritt 100 Personen ausgelost, die am Bevölkerungsrat teilnehmen. Menschen jeden Alters, aus verschiedensten Berufen und Landesteilen. In Wochenendveranstaltungen und digitalen Treffen befassen sie sich mit der Problematik der steigenden Gesundheitskosten.
Unter den 100 Ausgewählten sind auch vier Personen aus dem Kanton Zug. Dilan Uzun arbeitet als Kundenberaterin bei der Zuger Kantonalbank. Sie beschreibt sich selbst als politisch interessiert. «Primär verfolge ich Themen, die mich und meine Familie betreffen.» Neben den steigenden Krankenkassenprämien und Gesundheitskosten sieht die Zugerin die Knappheit an bezahlbaren Wohnungen als das aktuell wichtigste Thema an, das politisch bearbeitet werden muss.
Dass sie im Bevölkerungsrat mitdiskutieren kann, findet Dilan Uzun eine gute Sache. «Ich erhalte die Gelegenheit mitzuhelfen, etwas zu verändern. Zumindest versuchen wir das.» Sie lobt die gute Organisation des Projekts. «Als berufstätige Mutter von Kindern musste ich die geplanten Treffen mit anderen Mitgliedern natürlich koordinieren. Aber auch bei der Kinderbetreuung hat die Projektorganisation geholfen.»
Sie findet den Austausch in der Diskussion, die von einer Fachperson begleitet werden, als sehr produktiv. Jeder und jede komme zu Wort, und könne die persönliche Meinung zum Thema abgeben. «Auch Vertreterinnen und Vertreter aus der Romandie oder dem Tessin, die professionell gedolmetscht werden.» Die Teilnehmenden diskutieren rund um die steigenden Gesundheitskosten schwerpunktmässig das Thema Gesundheitsförderung und Prävention. Dilan Uzun glaubt, dass der Bevölkerungsrat mit den Diskussionen vor allem langfristig etwas erreichen kann: «Gerade bei Prävention darf man keine schnellen Resultate erwarten, aber es ist wichtig, jetzt die richtigen Weichen zu stellen.»
Magdalena Borisova Lazarova-Petkowska aus Steinhausen ist gebürtige Bulgarin – und wurde von der Anfrage für die Teilnahme völlig überrascht. «Ich wohne seit 2001 in der Schweiz. Dass ich beim Bevölkerungsrat mitmachen darf, ist für mich eine spannende Herausforderung.»
Sie interessiere sich für politische Fragen in der Schweiz, aber auch in ihrem Heimatland Bulgarien. Als Alltagsassistentin bei der Pro Senectute Zug liege ihr die Entwicklung der AHV besonders am Herzen.
Was die steigenden Gesundheitskosten angeht, ist Magdalena Borisova Lazarova-Petkowska für mehr Eigenverantwortung. «Die Prämien steigen immer viel mehr als die Löhne. Nur warten, dass etwas passiert, genügt nicht. Wir müssen selbst für gute Ernährung schauen und unnötige Arztbesuche vermeiden.»
Die Teilnahme am Bevölkerungsrat sieht sie als Gelegenheit, «andere Menschen zu treffen und mich intensiv mit dem Thema Krankenkasse auseinanderzusetzen. So habe ich die Gelegenheit, neues zu lernen, gleichzeitig kann ich meine Meinung äussern.»
Beim ersten physischen Treffen an der Universität Zürich habe sie 100 Menschen aus der ganzen Schweiz getroffen, die sie vorher noch nie gesehen habe. «Das hat mich motiviert, dass ich mehr über ein Thema wie die Gesundheitskosten nachdenke.» Sie glaubt, dass die Diskussionen im Bevölkerungsrat etwas bringen können. «Ja, es kann etwas bewirken. Aber ich glaube, es wäre wichtig, dass sich Politikerinnen und Politiker mehr mit Menschen aus dem Volk wie mir austauschen würden.»
Am Ende des Prozesses erarbeiten die Mitglieder des Bevölkerungsrat ein Abschlussdokument, in dem sie die wichtigsten Argumente, Erkenntnisse und Empfehlungen zu dem Thema zusammenfassen. Das Dokument kann als Beitrag zu einer öffentlichen Debatte oder als Entscheidungsgrundlage für die politischen Verantwortlichen dienen.
Renato Cecchet
Mehr Infos:www.pnyx25.uzh.chundwww.zdaarau.ch
«Bevölkerungsrat 2025»
Das Projekt «Bevölkerungsrat 2025» der Universitäten Zürich und Genf untersucht, ob und wie Bevölkerungsräte demokratische Debatten bereichern und Raum für differenzierte Diskussionen schaffen können. Das vom «Zentrum für Demokratie Aarau» koordinierte Projekt untersucht damit neue Formen der Demokratie. Im Fokus steht die Frage, wie sich Bevölkerungsräte dafür eignen, wichtige gesellschaftliche Debatten auszutragen, das Verständnis für unterschiedliche Sichtweisen zu fördern und damit einen Beitrag zu einer konstruktiven und vielfältigen öffentlichen Debatte zu leisten. Um diesen Fragen nachzugehen, wird im Rahmen dieses Forschungsprojekt auch untersucht, inwiefern das Ergebnis aus dem Bevölkerungsrat zur Meinungsbildung von Personen beiträgt, die selbst nicht Teil der Diskussionen im Bevölkerungsrat waren.
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